Wir reden hier immer über „Innere Bilder“ und „Ideen“, haben uns aber bisher noch nicht damit beschäftigt wo diese inneren Bilder entstehen und vor allem was dieser Entstehungsprozess bedeutet.

Unter Physikern gibt es die kluge Frage „Erzeugt ein umfallender Baum ein Geräusch, wenn keiner hinhört?“

Was passiert wenn ein Baum umfällt? Er verdrängt Luft. Was ist verdrängte Luft? Druck und Dichteschwankungen im Medium „Luft“, also eine mechanische Schwingung.

Eine mechanische Schwingung ist also erst einmal nichts anderes als sich bewegende Moleküle in einem Medium. Der fallende Baum erzeugt eine Kompressionsenergie, die in Bewegungsenergie umgewandelt wird, was dazu führt dass sich Moleküle bewegen. Das ist aber kein Geräusch!

Moment! werden jetzt einige sagen. Meine Ohren können diese Bewegungen aber in einen elektrochemischen Impuls umwandeln und über Nerven in mein Hörzentrum weiterleiten, was dazu führt dass ich den Baum höre! Stimmt. Das tun die Ohren. Sie fangen Bewegungsenergie im Medium Luft auf und wandeln einen bestimmten Frequenzbereich in Nervenimpulse um. Frequenzen von 16 Hz bis 20 kHz können so umgewandelt werden, sämtliche anderen Frequenzen, darunter oder darüber, kann das menschliche Ohr nicht umwandeln. Ein Fledermausohr oder ein Walohr könnten das jedoch schon.

Was bedeutet das jetzt für das Geräusch des umfallenden Baums? Nun ja, zuerst haben wir also sich bewegende Moleküle in der Luft, jetzt, nachdem diese das Ohr erreicht haben, sind wir bei Nervenimpulsen, also elektrischer Aktivität im Gehirn. Ist das jetzt ein Geräusch? Dazu müssen wir uns angucken welche Nerven da gerade gereizt wurden:

Zunächst einmal der Hörnerv. Das kriegt der Rest des Gehirns aber erst einmal noch gar nicht mit. Der Hörnerv leitet seiner Erregung weiter in das Stammhirn, dieses schickt die Erregung weiter ins Mittelhirn wo sie mit anderen Erregungen abgeglichen wird und dann weiter in die Großhirnrinde wo unser Verstand die Erregung der Nervenzellen im Temporallappen wahrnimmt und uns diese Erregung als „Geräusch“ bewusst wird.

Was bedeutet das jetzt? Es bedeutet, dass ein „Geräusch“ erst in dem Moment entsteht, wenn die Erregungen von Nervenzellen der Großhirnrinde von unserem Verstand registriert werden und er uns diese Erregung bewusst macht. Vorher haben wir mechanische und elektrische Reize, die erst noch verarbeitet werden müssen, damit ein Geräusch entsteht. Wovon werden sie verarbeitet? Von verschiedenen Teilen unseres Gehirns.

Ein umfallender Baum macht also noch kein Geräusch! Das Geräusch entsteht erst in unserem Verstand.

Wie sieht es mit der visuellen Wahrnehmung des Baums selber aus? Ist der Baum da?

Erst einmal absorbieren die Atome, die den Baum bilden, eine bestimmte Wellenlänge des auf sie einfallenden Lichts, während sie andere Wellenlängen reflektieren. Die Atome reflektieren also bestimmte elektromagnetische Wellen. Diese Wellen sind aber kein Baum. Was passiert dann mit den Wellen?

Sie treffen auf unsere Augen und werden auf die Netzhaut geleitet. Dort reizt Licht einer bestimmten Wellenlänge eine bestimmte Art von Zellen, die dadurch einen elektrischen Nervenimpuls erzeugen. Es gibt, für verschiedene Wellenlängen, verschiedene Arten von Zellen auf der Netzhaut. Wir Menschen können somit Licht in einer Wellenlänge von 380 nm bis 750 nm in elektrische Nervenimpulse umwandeln. Jegliche andere elektromagnetische Strahlung kann von unserem Auge nicht wahrgenommen werden.

Wir halten also fest: Die Atome reflektieren elektromagnetische Strahlung einer gewissen Wellenlänge, die in unserem Auge in einem Bereich von 380-750 nm in Nervenimpulse umgewandelt wird. Diese Nervenimpulse werden an das Mittelhirn weitergeleitet wo sie weitere Nervenbahnen erregen und mit anderen Erregungen abgeglichen werden bis sie unsere Großhirnrinde im Bereich des Hinterhauptslappen erreichen und die Zellen dort erregen. Erst diese Erregung wird dann von unserem Verstand als „Baum“ wahrgenommen.

Also haben wir das Gleiche wie bei dem Geräusch. Der „Baum“ entsteht erst in dem Moment wenn die Erregung bestimmter Nervenzellen im Hinterhauptslappen von unserem Verstand registriert wird und uns bewusst gemacht wird. Vorher ist der Baum nur eine elektromagnetische Strahlung, bzw. ist er Atome die einfallende elektromagnetische Strahlung reflektieren, bzw. Teile absorbieren.

Können wir denn diese Atome anfassen? Was passiert wenn wir den Baum berühren? Die Atome unserer Haut werden von den Atomen des Baums abgestoßen, je stärker, desto mehr sie sich annähern. Wir nehmen also wahr wenn Atome der Haut von den Atomen des Baums abgestoßen werden? Nein. Die Hautzellen können diese Information nicht weiterleiten, sie verformen sich nur und dadurch entsteht ein mechanischer Reiz, der weitergeleitet wird. Erst wenn diese Verformung auf spezielle Zellen in der Haut trifft (sog. Mechanorezeptoren), wird aus der Abstoßung der Atome, also der mechanischen Verformung, ein Nervenimpuls. Dieser Nervenimpuls wird was? Genau. Weitergeleitet ins Rückenmark, von da zum unterbewussten Teil des Gehirns, wo er verarbeitet wird und andere Nerven anregt, bis er letztendlich die Großhirnrinde erreichen und was passiert?

Genau. Der Verstand erkennt die Erregung dieser Zellen und aus der Erregung wird uns ein Bild bewusst gemacht. Diese Info, z.B. raue Oberfläche, sprich Rinde, wird mit den visuellen Informationen abgeglichen und wir erkennen ein Gesamtbild.

Unsere Realität entsteht durch Erregung von Zellen der Großhirnrinde, die von unserem Verstand registriert wird! Alles was wir wahrnehmen wird in uns generiert. Wir geben bestimmten Mustern einen Namen, besser gesagt unser Verstand gibt diesen Mustern einen Namen. Heißt das etwa dass ein Erregungsmuster der Großhirnrinde immer noch kein Baum ist, oder ein Geräusch, oder eine Rinde? Ganz genau.

Diesen Absatz bitte noch einmal ganz in Ruhe sacken lassen.

Ein Geräusch oder ein Objekt entstehen erst wenn wir dieses Erregungsmuster schon einmal gesehen/gehört/gefühlt haben und wir ihm einen Namen gegeben haben. Ansonsten ist es erst einmal nur ein Reiz. Unser Verstand gibt diesem Reiz einen Namen. Das nennt man „lernen“.

Babys erschrecken sich vor Geräuschen, unbekannten Gesichtern etc. weil sie zu diesen Reizen noch keine Erfahrung haben. Erst wenn sie wiederkehren und das Baby lernt sie sind ungefährlich, erschrickt es nicht mehr, bzw. freut sich. Der Reiz der Großhirnrinde wurde im Gedächtnis gespeichert und mit anderen „inneren Zuständen“ kombiniert (kombinierte Erregungsmuster), die auf diesen unmittelbar folgten, bzw. parallel vorlagen. Im Laufe seiner Entwicklung wird unser Baby dann anfangen zu sprechen und den Reiz der Großhirnrinde mit einem Laut/Wort kombinieren. Damit wird das visuelle Erregungsmuster, das der Baum auf der Großhirnrinde erzeugt, erst zum „Baum“. Der Reiz wird „benannt“.

Alles was wir wahrnehmen wird mit abgespeicherten Wahrnehmungen und Mustern permanent abgeglichen. Erst dadurch entsteht unsere Realität. Ein Baum ist erst dann ein Baum wenn ich ihn als Baum identifizieren kann. Vorher ist er ein spezielles Erregungsmuster in meiner Großhirnrinde, das ich bewusst wahrnehme, weil es an meinen Verstand geleitet wird.

Realität entsteht in meinem Kopf. Meine Realität sieht anders aus als die einer Fliege (die nimmt Zeit sehr viel langsamer wahr, aber das ist ein Thema für einen anderen Artikel) oder die Realität eines Hais, Wals oder einer Fledermaus. Diese Tiere können ein ganz anderes Spektrum an elektromagnetischer Strahlung wahrnehmen und auch einen ganz anderen Frequenzbereich an Geräuschen. Ihre Realität unterscheidet sich dtl. von der unseren.

Unsere Sinnesorgane sind das Tor zu unserem Bewusstsein. Sie kreieren unser Bild der Realität. „Innere Bilder“ sind kombinierte Erregungsmuster aus abgespeicherten Wahrnehmungen. Wir nutzen sie permanent um unsere Realität zu erzeugen und uns in der Welt zu Recht zu finden. Man kann sie immer komplexer werden lassen und mit diesen Bildern weiter im Verstand arbeiten. Dies passiert während sie diesen Text lesen und auch während ich ihn schreibe.

Ein Buchstabe ist nichts anderes als eine kombinierte Wahrnehmung, die ich in meinem Gedächtnis abgespeichert habe. Ich kann diese Wahrnehmung nach gewissen Regeln, die ich ebenfalls als „abstrakte Wahrnehmung“ gelernt habe, nutzen und mit anderen abgespeicherten Wahrnehmungen kombinieren. So entsteht Sprache und Schrift.

Unser Verstand nimmt unsere Umwelt also durch Reize war, speichert sie und gleicht sie permanent ab. Er erzeugt quasi eine „äußere Landkarte“, benennt Objekte, analysiert Objekte, interagiert mit Objekten.

Auf der anderen Seite werden unserem Verstand aber auch permanent „Zustandsmeldungen“ aus seinem Körper zugeleitet und von tieferen Hirnstrukturen „bewertet“. Das können zum einen Muskelspannungen, Hunger, Schmerzen etc. sein, aber auch Angst, Hunger, Liebe, Freude etc..

Gefühle sind sehr viel älter als unser Vestand. Tiere reagieren durch Gefühle/Triebe. Man könnte sagen sie sind die ersten Mechanismen gewesen mit denen unser Gehirn unseren Körper gesteuert hat. Wenig Energie sorgt für „Hunger“, der sorgt für Aggressivität. Diese für erhöhte Aufmerksamkeit, die wiederum für das Finden von Nahrung und das Töten. Essen führt zu Energie, Energie zu Belohnung und Belohnung macht glücklich. Da ist wenig mit „Denken“, eher mit Fühlen.
Unser Körper hat mit dem Gehirn eine Schaltzentrale und diese musste ihn halt irgendwie „Steuern“, quasi „wie sage ich es meinem Körper“. Emotionen sind da ein wichtiger Schritt gewesen.

Jetzt ist es natürlich sinnvoll gewesen die Emotionen, bzw. die daraus entstehen Handlungsimpulse, zu unterdrücken. Das Weibchen zu begatten wenn der Rudelchef gerade neben mir steht ist nicht gerade sinnvoll, das gibt Ärger. Jetzt kommt der „Verstand“ ins Spiel. Ursprünglich eine Kontrollinstanz der Emotionen hat er sich über die Zeit und Spezies hinweg immer weiter entwickelt und „ein Eigenleben“ bekommen. Je mehr er in unsere „Programme“ eingreifen konnte, desto effektiver konnte er für die Erhaltung unserer Art sorgen. Ein effektiver Verstand ist ganz offensichtlich ein nicht zu unterschätzender Evolutionsvorteil gewesen. Er kontrollierte nicht nur die Emotionen, sondern konnte auch, je komplexer er wurde, planerisches Vorgehen ermöglichen.

Schauen wir uns die Emotionen mal genauer an. Sie können den Verstand „übersteuern“, oder ihm permanent dazwischen reden. Der Verstand reagiert also nicht nur auf Reize auf seiner Großhirnrinde, sondern kriegt auch ständig Gebrabbel aus seinen emotionalen Zentren mit.
Diese emotionalen Zentren wiederum reagieren auch auf äußere Reize und zwar durch die „unbewußte“ Verschaltung der Nervenimpulse bevor sie die Großhirnrinde erreichen. Diese unbewußte Verschaltung sorgt für Reaktionen des Körpers (Muskelspannungen, Reflexe etc.) und erzeugt Emotionen, bevor (oder während) dieser Reiz die Großhirnrinde erreicht.

Wir haben also immer eine Doppelinterpretation der äußeren Reize vorliegen. Die Bewußtmachung durch den Verstand und die „unbewußte“ durch die tieferliegenden Zentren. Unbewußt ist diese Verarbeitung nicht ganz, da sie dem Verstand ja in Form von Emotionen/Trieben gemeldet wird.

Der Verstand wird also mit zwei „Interpretationen“ der Außenwelt gefüttert. Dem, was auf der Großhirnrinde ankommt und dem was aus der unbewußte Verarbeitung, in Form von Emotionen, bei Ihm ankommt. Mal ist das Eine lauter, mal das Andere. Er versucht quasi permanent die Lautstärke zu regeln, nur manchmal überbrüllen die Emotionen halt alles.

Wenn wir lernen verarbeitet der Verstand immer beide Reizinterpretationen. Wir koppeln quasi unser Bild der Außenwelt, wie es auf der Großhirnrinde ankommt, mit dem, was wir abstrakt dazu gelernt haben (Stichwort Sprache, Schrift, Logik etc.) und dem was unser Körper dazu sagt (Emotion).

Im Falle des Babys, das ja noch nicht eine so ausgearbeitete Großhirnrinde hat, wird es also zuerst das visuelle Bild der Mutter mit dem Sättigungsgefühl verbinden, inklusive aller Geruchs-, Tast, und Hörreize. Das führt natürlich zu Sicherheit (der dumme Hunger ist weg, es ist, warm, kuschelig und man wird noch gestreichelt). Je mehr sich das Großhirn entwickelt, desto mehr „Infos“ werden natürlich dazu kommen. Die Welt wird farbig, aus Geräuschen werden Worte aus auditiven und visuellen Reizen wird Schrift und IMMER wird alles auch vom Gehirn emotional bewertet und dieser Zustand mit abgespeichert. Dieser Umstand ist z.B. extrem wichtig bei der Behandlung von Traumafolgen (wenn z.B. Herzrasen den Flashback auslöst, ist aber ein ganz anderes Thema).

Wir können die Welt somit gar nicht „unvoreingenommen“ betrachten, sondern sehen sie immer über beide uns zur Verfügung stehenden Kanäle: Dem Verstand und dem „Geist“ (verstanden als Instanz, die die Gefühle an den Verstand meldet).

Die Realität entsteht also aus interpretierten Wahrnehmungen. Bleibt die Frage „Wer nimmt am Ende da eigentlich die Informationen wahr?“…

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