Schriftzeichen für ”Qi”

Nachdem wir uns in den bisherigen Artikeln dieses Bereichs mit neurobiologischen Grundlagen beschäftigt haben, wollen wir jetzt ein wenig “wissenschaftliches Licht“ auf einen Begriff werfen, der in der chinesischen Philosophie eine wichtige Rolle spielt:

„Qi“

Der Begriff wird oft mit „Energie“ übersetzt, aber auch mit „Atem“. Das Schriftzeichen zeigt “Wasser über einem Reiskochtopf“.

Im Daoismus separierten sich aus dem “Ursprungs-Qi“ die zwei Pole Yin & Yang und das “Yin-Qi“ und das “Yang-Qi“ entstanden. Alles, was das „Yang-Qi“ empfing stieg nach oben und alles, was das „Yin-Qi“ empfing sank nach unten. Himmel und Erde entstanden. Durch die Polarität von Yang und Yin entstand eine Energie, die sich im permanenten Wechsel von Yin und Yang ausdrückt.

Aus diesem Wechsel entstehen die Kräfte, die uns am Leben erhalten. In dem einen ist das Potential des anderen bereits enthalten, wie bei einer Feder, die man zusammendrückt und damit die Kraft schafft um die erneute Ausdehnung zu ermöglichen.

Dieses vorhandene Potential wird in der daoistischen Philosophie, neben dem Yin-Yang Symbol, u.a. durch die acht Trigramme ausgedrückt. Jedes Trigramm besteht aus drei Linien, wobei eine durchgezogene Linie für Yang steht und eine durchbrochene Linie für Yin.

Yin – Yang Symbol

Drei durchgezogene Linien stehen z.B. für den Himmel, drei durchbrochene Linien für die Erde. Eine durchbrochene Linie zwischen zwei durchgezogenen Linien steht für das Feuer und eine durchgezogene Linie zwischen zwei durchbrochenen für das Wasser. Die Trigramme sollen die vielfältigen Möglichkeiten des Wandels der beiden Polaritäten darstellen und erklären wie sich die Polaritäten in der Welt um uns herum wiederfinden.

Die drei Linien können in acht unterschiedlichen Arten angeordnet werden, daher gibt es 8 Wandlungsphasen, die wiederum unterschiedlich kombiniert werden können. Daraus ergeben sich im Daoismus die “10.000 Dinge“, was für die gesamte Welt steht.

Zusammenfassend kann man (stark vereinfacht) sagen das “Qi“ im Daoismus die Energie ist, die durch den Wechsel zwischen Yin und Yang der Welt eine Form gibt und den Lebewesen die „Lebenskraft“ um zu existieren.

Jetzt muss man wissen dass die alte chinesische Weltsicht auf einer beschreibenden Wissenschaft basiert, die versucht die Prinzipien hinter den Dingen um sich herum zu erkennen und zu erklären. Sie beruht nicht, wie die “westliche“ Wissenschaft, auf physikalischen Prinzipien. Es ist bemerkenswert wie genau die Leute früher die Welt um sich herum verstanden haben, denn sie postulierten das es einen “Lebensatem“ geben muss, den wir mit der Atmung und der Nahrung aufnehmen und der uns am Leben erhält. Er muss es sein, der die Kräfte in meinem Körper erzeugt und der mich Denken und Handeln lässt (auf diese Idee ist man übrigens nicht nur in China gekommen).

Wenn wir uns diesen “Lebensatem“ jetzt einmal aus westlich-physiologischer Sicht anschauen, dann stellen wir fest das “Qi“

ΔG0’ = −30,5 [kJ·mol−1] (= Gruppenübertagungspotential der Hydrolyse von ATP)

ist.

Dies ist die Energie, die frei wird wenn Adenosin-Tri-Phosphat (ATP) mit Wasser zu Adenosin-Di-Phosphat (ADP) und Phosphat aufgespalten wird.


ATP wird im Muskel für jegliche Muskelaktivität benötigt, sowohl für die Anspannung, als auch für die Entspannung.

In der daoistischen Philosophie können ohne „Qi“ weder Yi (Verstand) noch Shen (Geist) wirken.

Auch aus westlicher Sicht ist dies völlig logisch, denn ohne ATP ist das Gehirn nichts weiter als ein nutzloser und toter Haufen Zellen. Ohne ATP kein Aktionspotential, ohne Aktionspotential keine Hirnaktivität.

Im Gehirn wird ATP hauptsächlich dazu benötigt um die Na+-K+-ATPasen (Natrium-Kalium-Pumpe) „anzutreiben“, die das Ruhemembranpotential der Nerven- und Gliazellen aufrechterhalten und damit die elektrische Erregbarkeit der Nervenzellen gewährleisten. Erst dadurch kann dann das Aktionspotential entstehen, das sich über die Nervenzellen ausbreitet und über Synapsen auf andere Nerven überspringen kann, was letztendlich zu einer Erregung der verschiedenen neuronalen Netze führt.

Der Energieumsatz des Gehirns liegt bei ca. 20 Watt, was in etwa 7mMol ATP pro Minute entspricht. Dafür benötigt es ca 1/5 des gesamten vom Organismus aufgenommenen Sauerstoffs. Der normale Sauerstoffverbrauch des Gehirns beträgt 3 ml O2 pro 100 g Gehirngewebe und Minute, die Durchblutung beträgt 54 ml/100 g Gehirngewebe und Minute und der Glucoseverbrauch 31 μmol/100 g Gehirngewebe und Minute.

Zur Bereitstellung von ATP benötigt das Gehirn, neben Sauerstoff, eine dauernde Zufuhr von Glucose über die Durchblutung. Wie das dann genau abläuft findet man dann in den Biochemiebüchern (Stichworte wären Atmungskette, Citratzyklus, oxidative Phosphorylierung, Chemiosmotische Kopplung etc.).

Es ist also völlig legitim zu sagen „Qi“ sei in Essen (Kohlenhydrate, also Zucker, Fette und Proteine) und der Luft (Sauerstoff) enthalten. All das wird benötigt um aus ADP ATP zu machen, was wir wiederum benötigen um Aktionspotentiale auszulösen und unsere Muskeln arbeiten zu lassen.

ΔG0’ = −30,5 [kJ·mol−1] ist die Energie, die frei wird wenn aus ATP ADP wird. Sie wird im Körper dazu genutzt Natrium gegen das Konzentrationsgefälle aus der Zelle zu befördern und um Myosinköpfchen zu bewegen. Um aus ADP wieder ATP zu machen benötigt man dann den Sauerstoff, Wasser und entweder Zucker, Fette oder Proteine.

Man könnte jetzt natürlich auch noch hingehen und gucken wie die Energie in die jeweiligen Zucker, Fette oder Proteine „gelangt“. Das würde aber den Rahmen dieses Artikels sprengen, da die Funktion von Chlorophyll im Detail zu erklären zu aufwendig ist.

Um es kurz zu machen: letztlich kommt die „Energie“ von der Sonne und wird nur immer weiter umgewandelt bis wir sie entweder durch die Nahrung (Pflanzen oder Tiere, die die Pflanzen gefressen haben) zu uns nehmen oder als Sauerstoff einatmen.

Ganz, ganz vereinfacht kann man nun also sagen das Qi Licht ist, da ΔG0’ = −30,5 [kJ·mol−1] immer irgendwann mal von einem Chlorophyll aus elektromagnetischer Strahlung „eingefangen“ wurde.

Ohne „Qi“ gibt es also weder Leben, noch Denken, noch Bewegen. Da die elektromagnetische Strahlung auf unterschiedliche Arten „gespeichert“ werden kann (Zucker, Fette, Proteine, Sauerstoff etc.) gibt es also auch unterschiedliche Arten von „Qi“. Dies haben die Leute früher auch schon beobachtet, und nur anders beschrieben.

Wo ATP ist ADP wo O2 auch CO2, wo eine Welle, da ein Teilchen.


Qi“ ist letztlich Energie in Form von elektromagnetischer Strahlung, die Welle (Yin) und Teilchen (Yang) sein kann.

Man könnte jetzt natürlich auch noch hingehen und „Welle“ und „Teilchen“ weiter aufdröseln um dort „Energie“ weiter runterbrechen.
Dies würde uns dann in die Welt der Quantenmechanik und der harmonischen Oszillatoren bringen, die das Prinzip von Yin und Yang in der physikalischen Welt beschreiben und letztendlich sowohl in der Quantenmechanik, als auch in der klassischen Physik überall zu finden sind.

Potential eines eindimensionalen harmonischen Oszillators

Wie wir sehen schließen sich „westliche Wissenschaft“ und östliche Philosophie nicht aus. Vieles, was sich die Leute früher durch Beobachten und Analysieren erschlossen haben, kann man heute mit „modernen“ Begriffen erklären und die heutigen Erklärungen widersprechen nicht den damaligen Beobachtungen.

In den Kampfkünsten helfen die modernen Erklärungen nicht die körperlichen Fähigkeiten zu erlernen, denn dazu benötigt man die bildhaften Ideen der früheren Beschreibungen. Sie sind es die die richtigen neuronalen Verknüpfungen im Gehirn erzeugen können. Die Bilder müssen mit Gefühlen und Wahrnehmungen kombiniert werden, damit ein harmonisches Ganzes entstehen kann. Dies können Formeln und physiologische Erkenntnisse nicht.

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